Kapitel 3: Nutzungsänderungen und ZweckentfremdungBauordnung und Baubestimmungen
Gepachtete Räume anders genutzt
Dass Vorhaben wie Neubau, Umbau oder Erweiterung unter die Bauordnung fallen, ist meist schon wegen der damit verbundenen Bautätigkeiten verständlich. Große Unwissenheit herrscht dagegen, wenn es um die sogenannte "Nutzungsänderung" und deren Einordnung die baurechtlichen und bautechnischen Belange geht. Betroffen davon sind vor allem Existenzgründer, die ein Handwerk in bestehenden Räumlichkeiten ausführen möchten, aber auch alle Anmieter bzw. Pächter von Räumen zur gewerblichen Nutzung.
Eine "Nutzungsänderung" liegt immer dann vor, wenn für eine bestehende bauliche Anlage - wenigstens teilweise - die tatsächliche Nutzung geändert wird (Artikel 3 Absatz 3 und Artikel 57 Absatz 4 BayBO).
Die Nutzungsänderung steht grundsätzlich der Errichtung eines Gebäudes gleich. Daher werden unter Nutzungsänderungen nicht nur bauliche Veränderungen verstanden. Eine Nutzungsänderung liegt auch dann vor, wenn Gebäuden oder Räumlichkeiten eine andere Zweckbestimmung gegeben wird bzw. gegeben werden soll. Unter einer anderen Zweckbestimmung kann eine Funktionsänderung der Anlage verstanden werden. Beispiele für "nichtbauliche" Nutzungsänderungen durch neue bzw. geänderte Zweckbestimmungen oder Funktionsänderungen sind Stall in Werkstatt, Schlosserei in Schreinerei, Lager in Konditorei, Modeboutique in Friseursalon oder Wohnung in Büro.
Auch eine Erweiterung der ursprünglichen Nutzung stellt oftmals eine Nutzungsänderung dar, wenn einer Anlage eine zusätzliche Zweckbestimmung oder eine zusätzliche Nutzung gegeben wird, beispielsweise wenn in einer Schreinerei zukünftig auch Lackierarbeiten durchgeführt werden sollen oder wenn in einer Halle für Kfz-Handel zusätzlich Fahrzeuge repariert und instand gesetzt werden sollen.
Eine Nutzungsänderung kann auch vorliegen, wenn die bisherige Zweckbestimmung aufgegeben bzw. eingestellt wird. Gibt zum Beispiel der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes diesen auf, entfällt für sein Wohnhaus die Zweckbestimmung "landwirtschaftlicher Betrieb" und es besteht nur noch die tatsächliche Nutzung "Wohnen" fort.
Grundsätzlich liegt eine Nutzungsänderung immer dann vor, wenn für die neue Benutzung andere baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften oder andere Anforderungen aus diesen Vorschriften als für die bisherige Benutzung gelten (→ baurechtliche Relevanz).
Nutzungsänderungen sind wie Bauvorhaben genehmigungspflichtig
Nutzungsänderungen nach dem oben beschriebenen Verständnis sind - auch ohne technische Änderungen der Bausubstanz oder sonstige bauliche Maßnahmen - grundsätzlich baugenehmigungspflichtig, das bedeutet, dass ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden muss. Allerdings enthalten die Nummern 1 und 2 des Artikels 57 Absatz 4 BayBO auch zwei (voneinander unabhängige) Aspekte nach denen solche Änderungen verfahrensfrei sind.
Durch die Änderung/Erweiterung der Nutzung oder der Zweckbestimmung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder baulichen Anlagen können sich die vormaligen baurechtlichen Voraussetzungen und/oder Anforderungen ändern. So kann sich zum Beispiel durch die geänderte Nutzung der Stellplatzbedarf ändern, es können zusätzliche brandschutzrechtliche Anforderungen entstehen oder Flucht- und Rettungswege nötig sein, die Anforderungen an die Raumhöhen oder an den Schallschutz können sich ändern oder lüftungs- und hygienetechnische Voraussetzungen müssen erfüllt werden.
Die möglichen Veränderungen durch die geplante neue bzw. geänderte Nutzung werden von der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde geprüft indem die in Betracht kommenden Anforderungen für die neue Nutzung festgestellt und gegebenenfalls mit denen für die bisherige Nutzung verglichen werden. Dazu ist ein Antrag auf Nutzungsänderung bei dieser Behörde zu stellen.
Die Nutzungsänderung muss beantragt werden
Ein Antrag auf Nutzungsänderung entspricht einem "normalen" Bauantrag ("Antrag auf Baugenehmigung"). Er stellt einen kostenpflichtigen Verwaltungsakt der unteren Bauaufsichtsbehörde dar, der nach einem der drei oben genannten Baugenehmigungsverfahren behandelt wird.
Wie für den Bauantrag müssen der Baubehörde neben dem eigentlichen Änderungsantrag verschiedene Planunterlagen (Bauvorlagen) und gegebenenfalls sogar Berechnungen oder Gutachten vorgelegt werden. Der Antrag auf Nutzungsänderung kann auch zusammen mit beabsichtigten Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen gestellt werden. Wenn bauliche Änderungen mit der neuen Zweckbestimmung vorgesehen sind, ist in jedem Fall ein bauvorlagenberechtigter Entwurfsverfasser erforderlich. Dies kann unter Umständen ein Handwerksmeister des Bau- und Zimmererfachs sein.
Hinweis: Sind mit der Nutzungsänderung Baumaßnahmen bzw. bauliche Änderungen verbunden, wird jeweils getrennt sowohl für die Nutzungsänderung als auch für die Baumaßnahme geprüft, ob sie genehmigungsfrei ist.
Notwendige Planunterlagen (Bauvorlagen) für die Beantragung einer Nutzungsänderung ("Baugenehmigung") sind (die Unterlagen können sich je nach Baubehörde/Bauortgemeinde unterscheiden):
- Antrag auf Nutzungsänderung ("Antrag auf Baugenehmigung"; Formblatt erhältlich im Internet auf den Seiten des StMI)
- Planfertigungen, inklusive amtlicher Lageplan (Ausschnitt aus der Flurkarte) und mit Beteiligung der Eigentümer aller angrenzenden Nachbargrundstücke (Nachbarbeteiligung)
- Betriebsbeschreibung (mit Raumnutzungsplan; Bauzeichnungen: Grundrisse, Schnitte, Ansichten)
- Stellplatznachweis / Stellplatzberechnung
- Freiflächengestaltungsplan mit Lageplan
- Statistischer Erhebungsbogen je Gebäude (Bautätigkeitsstatistik)
- bei Änderung im Außenbereich: Baumbestandserklärung und ggf. Baumbestandsplan mit Lageplan
- in Sonderbauten: Brandschutznachweis, Standsicherheitsnachweis
- in Gebäudeklasse 5: Brandschutznachweis
- ggf. Berechnungen und Gutachten (z. B. über Lärm, Staub, Gerüche)
Empfehlung: Wie bei einem Bauantrag, so ist es auch bei einer Nutzungsänderung ratsam, sich vorab mittels einer Bauvoranfrage (Vorbescheid) nach Artikel 71 BayBO bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde darüber zu informieren, ob es sich bei der geplanten Nutzung (der zu mietenden oder zu pachtenden Räume) um ein verfahrensfreies Vorhaben oder um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung handelt und eine Baugenehmigung benötigt wird. Dabei lässt sich gleich abklären, welche Planunterlagen für die Beantragung erforderlich sind. Der Bauherr bzw. der Eigentümer (Vermieter, Verpächter) ist dafür verantwortlich, dass die erforderlichen Genehmigungen von den zuständigen Behörden eingeholt werden.
Notwendige Planunterlagen (Bauvorlagen) für einen Vorbescheid zu einer geplanten Nutzungsänderung sind (die Unterlagen können sich je nach Baubehörde/Bauortgemeinde unterscheiden):
- amtlicher Vordruck "Antrag auf Vorbescheid" (Formblatt im Schreibwarenhandel erhältlich oder im Internet auf den Seiten des StMI)
- amtlicher Lageplan
- Lageplan / Bauvorentwurf (Kopie vom amtlichen Lageplan im Maßstab 1:1000, in dem in das betroffene Gebäude eingezeichnet ist), mit Größenangaben und Grenzabständen
- vollständige Nachbarbeteiligung oder Antrag auf Verzicht der Nachbarbeteiligung (formlos)
- formlose Beschreibung der beantragten (Nutzungs-)Änderung (Nutzungsbeschreibung), eventuell mit Skizze(n) der Ansicht(en) sowie Gebäudeschnitt)
Der Bauvorbescheid gilt im Allgemeinen 3 Jahre; die Frist kann auf Antrag wiederholt um jeweils 2 Jahre verlängert werden, wenn das der Bauherr vor Ablauf der Geltungsdauer des Vorbescheides schriftlich beantragt.
Aber Achtung: Mit der Bauvoranfrage ist keine Baufreigabe verbunden. Dies bedeutet, dass der Bauherr keinesfalls mit dem Bau bzw. der Mieter/Pächter mit der neuen Nutzung beginnen darf.
Zweckentfremdung: Wenn Wohnraum einer Werkstatt weicht
Ein Begriff, der häufig im Zusammenhang mit Nutzungsänderungen, vor allem innerhalb des Stadtgebiets München fällt, ist die sogenannte Zweckentfremdung von Wohnraum.
Sobald Sie im Stadtgebiet München bestehenden Wohnraum oder auch nur Teile von Wohnungen für gewerbliche oder berufliche Zwecke nutzen möchten, benötigen Sie dafür neben der Genehmigung der Bauaufsichtsbehörde für die Nutzungsänderung (in München von der Lokalbaukommission) außerdem eine Genehmigung der Abteilung Wohnraumerhalt des Amtes für Wohnen und Migration im Sozialreferat der Landeshauptstadt München nach der Zweckentfremdungssatzung für Wohnraum (ZeS) der Landeshauptstadt München.
Erlassungsgrundlage für die Münchener ZeS ist das bayerische Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG). Danach können Gemeinden, in denen Wohnraummangel herrscht, nach eigenem Ermessen durch Satzung festlegen, dass eine Zweckentfremdung von Wohnraum nur mit einer Genehmigung zulässig ist.
Ob auch in Ihrer Stadt oder Gemeinde Wohnraum nur mit behördlicher Genehmigung über einen entsprechenden Antrag zu gewerblichen oder beruflichen Zwecken genutzt werden darf, sollten Sie bei Ihrem zuständigen Rathaus bzw. Landratsamt erfragen.
Weitere Kapitel:
Kapitel 1: Gesetzliche Grundlagen für Bauvorhaben in Bayern
Kapitel 2: Bauvorlagen und Bautechniknachweise und deren Erstellung
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Weiterführende Links:
Bauantragsformulare: Zusammenstellung des Bayerischen Innenministeriums (StMI)
Bürgerservice "Datenbank BAYERN-RECHT online" (Bayerische Gesetze und Verordnungen kostenfrei im Internet)
Vollzug der Zweckentfremdung in München: Amt für Wohnen und Migration