Pressemitteilung der Handwerkskammer für München und OberbayernVollversammlung der Handwerkskammer
Traublinger: "Mittelstand nicht benachteiligen!"
11. Juli 2012
"Entscheidende Weichen für die wirtschaftliche Zukunft werden durch die Energiewende gestellt. Ein Weg, der Chancen, aber auch Risiken birgt", betonte Präsident Heinrich Traublinger, MdL a. D., am 11. Juli 2012 vor der Vollversammlung der Handwerkskammer in München. Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Energieversorgung müssten daher ebenso Ziel der Energiepolitik sein wie die ökologische Nachhaltigkeit. Ein zentraler Punkt sei auch, dass kleine und mittlere Unternehmen im Wettbewerb nicht benachteiligt werden dürfen. Traublinger: "Besondere Sorgen bereitet mir, dass Großunternehmen bisher von den steigenden Kosten der Energiewende weitgehend entlastet werden." Ausnahmen bei der EEG-Umlage, Entlastungen bei den Netzentgelten und nicht zuletzt der mittelstandsfeindliche Sockelbetrag bei der Ökosteuer sorgten dafür, dass die Zeche in erster Linie der Mittelstand und die Verbraucher bezahlen. Der Handwerkskammerpräsident: "Wir müssen dafür sorgen, dass die Kosten im Rahmen bleiben und dass auch der Mittelstand entlastet wird." Im Bereich des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes plädiert Traublinger für eine mittelstandsfreundlichere Entlastungsstaffel, die inzwischen auch Ministerpräsident Seehofer aufgegriffen habe.
Ein Skandal aus Sicht des Handwerks sei, so Traublinger, wie die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung im Vermittlungsausschuss immer wieder auf die lange Bank geschoben werde. "Jeder weiß, dass die Energiewende nur gelingen kann, wenn das Einsparpotenzial im Gebäudebestand ausgeschöpft wird. Die Unsicherheit, ob gefördert wird oder nicht, führt nun dazu, dass die Investoren weiter abwarten. Sanierungsvorhaben liegen auf Eis. So werden wir unsere Ziele nicht erreichen. Das Gezerre wie die Kosten zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden, ist aus meiner Sicht geradezu grotesk, weil sich die staatliche Förderung durch die Mobilisierung privater Mittel und die dadurch entstehenden Mehreinnahmen zum Beispiel bei der Mehrwertsteuer selbst finanziert," sagte der Handwerkskammerpräsident.
Auch die Steuer- und Abgabenlast verdiene nach wie vor die ganze Aufmerksamkeit des Handwerks, betonte Traublinger. Ein besonderes Ärgernis sei die kalte Progression bei der Einkommensteuer in Zeiten wieder steigender Preise. Es zeige sich, dass der Staat Geld, das er einmal in der Kasse hat, nur ungern wieder an den Bürger herausgebe. Ein ähnliches Bild biete sich bei den Überschüssen der Sozialkassen. Diese müssten zu Beitragssenkungen genutzt werden. Traublinger: "Steuer- und Beitragssenkungen sind keine Geschenke, sondern ein selbstverständliches Recht des Steuer- und Beitragszahlers, wenn er zu viel gezahlt hat."
Hauptgeschäftsführer Dr. Lothar Semper erläuterte, dass die Handwerkskammer neue Wege gehe, um Nachwuchs für das Handwerk zu gewinnen. So hab man eine App, die AppZubi entwickeln lassen, damit Jugendliche über Smartphone oder Tablet Ausbildungsbetriebe im Handwerk finden und sich gleich bei diesen bewerben können. Die ersten Erfahrungen seien ermutigend. Ende Juni habe die Kammer eine Aktionswoche zur Ausbildung gestartet. In diesem Zeitraum habe es Informationen rund um die Ausbildung und Tipps zur Bewerbung über regionale Radiosender, aber auch über soziale Netzwerke wie Facebook und die kammereigene Internetseite gegeben. Die Lehrlingszahlen seien momentan durchaus positiv: Im vergangenen Jahr konnte die Kammer ein Plus bei den neu abgeschlossenen Lehrverträgen von 4,3 Prozent verzeichnen. Auch in den ersten Monaten des laufenden Jahres sei die Zahl der Neuabschlüsse gestiegen. Semper: "Ende Juni übertraf sie mit fast 3.400 die Zahl des Vorjahres um 9 Prozent." Allerdings sei bei der Bewertung dieser Zahl Zurückhaltung angebracht. Man beobachte in den vergangenen Jahren einen Trend zu frühzeitigen Abschlüssen. Das sei aber auch gut so, betonte der Hauptgeschäftsführer, denn dann hätten die Betriebe im Wettbewerb um die besten Köpfe noch die besten Chancen.
Größere Aufmerksamkeit müsse das Handwerk dem Wettbewerb um die ausgebildeten Fachkräfte widmen, betonte Semper. Eine Studie des Ludwig-Fröhler-Instituts habe gezeigt, dass für die jungen Menschen nach der Ausbildung nicht Anreize wie Einstiegsgehalt, Gehaltssteigerungen und Lohnzusatzleistungen im Vordergrund stünden, sondern dass frühzeitige Übernahmeangebote, ein gutes Arbeitsklima und Weiterbildungsmöglichkeiten maßgebliche Entscheidungsfaktoren für den Verbleib im Handwerk sind. Semper: "Zwar gewinnen mit der Veränderung der persönlichen und familiären Situation später finanzielle Aspekte an Bedeutung. Dennoch ist für mich klar, dass das Handwerk mit nicht-monetären Stärken bei den Mitarbeitern punkten kann, dass es diese Stärken weiter zur Entfaltung bringen und vor allem auch nach außen deutlich machen muss. Eine Geste würde wohl schon viel helfen: Dem Lehrling nicht erst nach der Gesellenprüfung, sondern schon viel früher signalisieren, dass er nach der Ausbildung im Betrieb übernommen wird!"