Pressemitteilung der Handwerkskammer für München und OberbayernSommerempfang der Handwerkskammer
Traublinger: "Politik nützt Spielräume für Wachstum zu wenig"
10. Juli 2014
"Die aktuelle wirtschaftliche Lage in Deutschland als Sommermärchen zu bezeichnen, wäre übertrieben. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten können wir aber mit der Entwicklung – und das gilt auch für das Handwerk – sehr zufrieden sein", betonte Präsident Heinrich Traublinger, MdL a. D., beim Sommerempfang der Handwerkskammer vor Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Für das erste Halbjahr rechne man gegenüber dem Vorjahreszeitraum mit einem Umsatzwachstum von nominal fünf Prozent. Dennoch bereiteten ihm die politischen Entscheidungen auf Bundesebene auch Sorge, fuhr der Kammerpräsident fort: "Statt Spielräume für weitere wachstumsfördernde Reformen zu nutzen und beispielsweise die Bekämpfung der kalten Progression in Angriff zu nehmen, wurden milliardenschwere Ausgabenprogramme beschlossen, die wir noch sehr bedauern werden."
So sei das Rentenpaket der Bundesregierung in einer Zeit, in der Deutschland vor einem tiefgreifenden demographischen Umbruch stehe und gerade auch dem Handwerk ein massiver Mangel an qualifizierten Arbeitskräften drohe, eine dramatische Fehlentscheidung. Traublinger: "Die Rente mit 63 ist rentenpolitisch rückwärtsgewandt. Sie ist systemwidrig, arbeitsmarktpolitisch falsch und eine schwere Bürde für die Zukunft."
Ebenso kritisierte der Kammerpräsident die Umsetzung der Energiewende. Weder bei den Kosten noch bei der Versorgungssicherheit zeichneten sich befriedigende Antworten ab. "Für unseren Wirtschaftsbereich ist besonders problematisch, dass wir zusammen mit den privaten Verbrauchern den Hauptteil der Kosten schultern müssen. Das ist Wettbewerbsverzerrung zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen", konstatierte Traublinger.
Diese Sorge adressierte der Kammerpräsident auch an Gastredner Günther Oettinger, Kommissar für Energie in der Europäischen Kommission: "Wir sind der Überzeugung, dass die Energiepolitik sich zu sehr auf erneuerbare Energien fokussiert. Klimaschutz ist nur international abgestimmt erfolgversprechend. Die Energiewende braucht daher eine konsequente Neuausrichtung, zum Beispiel mit einer stärkeren Betonung der Gebäudesanierung und einer besseren internationalen Einbindung. Dabei setzen wir auch auf die Hilfe der EU." Traublinger konfrontierte Oettinger auch mit der Hinterfragung der regulierten Berufe durch die Kommission. "Wir machen uns große Sorgen, dass dadurch dem Meistervorbehalt in den 41 Anlage A-Berufen Schritt für Schritt der Boden entzogen wird. Das Fundament unseres Wirtschaftsbereichs steht auf dem Spiel und mit ihm die Existenz von Betrieben und qualifizierten, vielseitigen und zukunftsorientierten Arbeitsplätzen", sagte der Kammerpräsident.
Abschließend äußerte sich der Kammerpräsident noch zur aktuellen Diskussion über die verschiedenen Mautsysteme: "Vor allem bei der Ausweitung der Lkw-Maut zeichnet sich eine Entwicklung ab, die für das Handwerk zu erheblichen zusätzlichen Kosten führen wird." Die geplante Ausdehnung auf Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen sowie auf bestimmte Bundesstraßen werde dabei nicht das Ende der Fahnenstange sein. Sollten Fahrzeuge zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen ebenfalls in die Lkw-Maut einbezogen werden, fielen für Handwerksbetriebe Kosten an, die nicht mehr tragbar seien. "Das Handwerk ist selbstverständlich bereit, seinen fairen Beitrag zur Sanierung unseres Straßensystems zu leisten. Deshalb wäre es sinnvoll, die Gewichtsklassen zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen in die Vignettenpflicht der Pkw-Maut einzubeziehen", betonte Traublinger.
Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hob in ihrem Grußwort die Bedeutung des Meistervorbehalts für das Handwerk hervor: "Der Meister steht für Qualität und Qualifikation. Um diese Merkmale zu schützen, muss der Meistervorbehalt unbedingt erhalten bleiben." EU-Kommissar Günther Oettinger lobte in seiner Rede das Handwerk als "Meister der Energiewende. Mit der Internationalen Handwerkmesse hat man eine hervorragende Plattform geschaffen, auf der die Betriebe jedes Jahr mit Können und Kompetenzen punkten." Der EU-Kommissar machte sich dafür stark, die energetische Sanierung von Gebäuden steuerlich zu fördern: "Mit solchen Anreizen werden Aufträge fürs Handwerk generiert und ein wirksames Mittel gegen die Schwarzarbeit geschaffen." Weiter forderte Oettinger die Direktoren der deutschen Stadtwerke dazu auf, das Handwerk zu achten und sich mit ihren Dienstleistungsangeboten fair von kleinen und mittleren Betrieben abzugrenzen. Deutschland empfahl er "weniger Wellness und mehr Wettbewerb. Wir müssen raus aus dem Romantiktal. Ansonsten wird unser Wohlstand nicht von Dauer sein." Weiter wies der EU-Kommissar darauf hin, dass Deutschland massiv von der EU profitiere. Daher müsse man "andere Länder bei der Gestaltung des Wirtschaftsraumes mitnehmen und sie ebenfalls gelten lassen."