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Handwerkskammer

Rote Karte für säumige KundenInterview zum Forderungssicherungsgesetz (FoSiG) mit Holger Scheiding

Herr Scheiding, wie häufig müssen Sie Unternehmerinnen oder Unternehmer beraten, deren Kunden überhaupt nicht oder nur mit großer Verspätung bezahlen? 
Scheiding: Es kommen täglich Rat suchende Betriebe auf uns zu, die unsere Beratung in Anspruch nehmen. Insofern ist das leider unser "tägliches Brot". Man kann auch nicht sagen, dass die schlechte Zahlungsmoral ausschließlich das Bau- und Ausbauhandwerk trifft, bei dem die Betriebe vor allem bei den Material- und Personalkosten in hohe Vorleistung gehen müssen. Nein, wir stellen immer wieder fest, dass auch Betriebe anderer Gewerke unter säumigen Kunden leiden. 

Nun gibt es seit Beginn dieses Jahres das Forderungssicherungsgesetz (FoSiG). Wie kommt das neue Gesetz bei den Betrieben an? 
Scheiding: Die Resonanz ist sehr positiv, weil es einerseits dazu beiträgt, im Vorfeld, sozusagen präventiv, Zahlungsausfälle durch bessere Sicherung zu vermeiden und andererseits Forderungen besser durchzusetzen. Es dreht also an zwei Schrauben. Damit ist der Spielraum für zahlungsunwillige Kunden deutlich enger geworden. Das sollte man an dieser Stelle auch deutlich machen: Das Forderungssicherungsgesetz wendet sich ja nicht gegen seriöse Auftraggeber, sondern es will den Zahlungsunwilligen und Tricksern das Handwerk legen.

Stichwort "Prävention und Vertragsgestaltung": Inwieweit bietet das FoSiG hier Unterstützung? 
Scheiding: Die VOB/B, die "Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen", als "Allgemeine Vertragsbedingung für die Ausführung von Bauleistungen" wird nun bei Verträgen mit öffentlichen oder gewerblichen Auftraggebern so wie sie ist anerkannt. Zwischenzeitlich war unklar, ob im Streitfall vor Gericht jede einzelne Klausel der VOB/B auf den Prüfstand gestellt wird. Das bedeutete für den einzelnen Betrieb auch einen großen Unsicherheitsfaktor. Denn er konnte sich nicht darauf verlassen, dass die ursprünglich vereinbarten 18 Klauseln der VOB tatsächlich wirksam waren. Jetzt sieht es so aus, dass die VOB als ein in sich geschlossenes Regelwerk gilt, das weder angezweifelt noch in Einzelteilen betrachtet werden kann. Eine Ausnahme gibt es allerdings bei privaten Auftraggebern: Hier wird nun klar gestellt, dass die VOB/B nicht mehr anerkannt wird: Jede der 18 Klauseln der VOB/B kommt auf den Prüfstand, sodass wir hier unseren Betrieben nicht mehr empfehlen, Verträge mit Privatkunden unter Einbeziehung der VOB/B zu schließen. Es gilt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). 

Um die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern, werden immer wieder Abschlagszahlungen empfohlen. Was bietet das FoSiG darüber hinaus? 
Scheiding: Bisher galt: Eine Abschlagszahlung kann nur für eine "in sich abgeschlossene Leistung" gefordert werden. Aber was genau ist eine „in sich abgeschlossene Leistung"? Diese Frage wurde von den Gerichten in den vergangenen Jahren unterschiedlich beantwortet. Da bestand für die Betriebe viel Unsicherheit. Das Forderungssicherungsgesetz sorgt hier jetzt für deutlich mehr Klarheit, indem es den Begriff des "Wertzuwachses" eingeführt hat. Dieser Wertzuwachs ist kurz gesagt das, was im Steuerrecht als "Geldwerter Vorteil" bezeichnet wird. Seit diesem Jahr gilt also: Nach jedem erzielten Wertzuwachs kann der Betrieb eine Rechnung für eine Abschlagszahlung stellen. Nehmen Sie beispielsweise einen Betrieb für Heizung, Lüftung, Sanitär, der mit dem Ausbau der alten und dem Einbau einer neuen Heizungsanlage beauftragt wird. Der hat in seiner Werkstatt bereits Teile vorgefertigt, zusammengebaut und beim Kunden angeliefert. Damit hat er bereits einen Wertzuwachs geschaffen und kann dafür einen Abschlag in Rechnung stellen. Dann wird er die alte Heizungsanlage ausbauen und abtransportieren. Auch dies ist ein klarer Wertzuwachs, den er in Rechnung stellen kann. Das braucht auch nicht vertraglich geregelt zu werden, sondern ist gesetzlich festgelegt. Für die Praxis halte ich diese Regelung für sehr wichtig. 

Speziell für Handwerksunternehmen im Baugewerbe gilt jetzt, dass die Bauhandwerkersicherung durch den Bauherrn ein eigenständig einklagbarer Anspruch ist. Wie lässt sich dieser in der Praxis durchsetzen? 
Scheiding: Ja, das ist jetzt wesentlich praktikabler geregelt. Ein Betrieb kann für die gesamte Bauleistung eine Sicherheit, in der Praxis eine Bankbürgschaft, von seinem gewerblichen oder öffentlichen Auftraggeber verlangen. Wenn diese Sicherheit nach einmaliger Fristsetzung nicht gestellt wird, kann er die Arbeit einstellen oder die Arbeit einstellen und kündigen oder er klagt die Sicherheit ein.

Das FoSiG sieht außerdem die so genannte Durchgriffsfälligkeit vor. Was hat es damit auf sich? 
Scheiding: Stellen Sie sich vor, ein Metallbauer ist Subunternehmer eines Generalunternehmers, der nach erfülltem Auftrag von seinem gewerblichen oder öffentlichen Auftraggeber die Abnahme erhält oder bezahlt wird. Der Subunternehmer hat damit sofortigen Anspruch auf Zahlung seiner Rechnung.
Nur: Wie erfährt er davon, dass der Generalunternehmer die Abnahme oder das Geld vom Auftraggeber erhalten hat? Ganz einfach: indem er dem Generalunternehmer eine Frist setzt, innerhalb der er dazu Auskunft geben muss, ob abgenommen wurde oder das Geld überwiesen wurde. Der Betrieb hat also einen gesetzlichen Anspruch auf eine solche Auskunft. Kommt der Generalunternehmer dieser Auskunftspflicht nicht nach, hat der Betrieb allein deswegen einen fälligen Anspruch.  
In diesem Zusammenhang ist übrigens auch wichtig zu erwähnen, dass der Baugeld-Begriff jetzt auch auf Generalunternehmer angewandt wird. Unter Baugeld wird das gesamte Geld verstanden, das auf dem Bau fließt. Ziel ist es, dass es auch bei demjenigen ankommt, der auf dem Bau arbeitet. Das ist schon seit langem gesetzlich geregelt. Nun sind auch Generalunternehmer von dieser Regelung betroffen. Das heißt, der Generalunternehmer muss nachweisen können, dass er das eingenommene Geld nicht zweckentfremdet hat. Anderenfalls kann Strafantrag gestellt und der Geschäftsführer persönlich haftbar gemacht werden. 

Gerade in der derzeitigen Krise dürften die Neuregelungen zur so genannten freien Kündigung und zum Mangeleinbehalt eine große Bedeutung haben. 
Scheiding: Ja, auf jeden Fall. Gerade in der jetzigen Zeit kommt es immer wieder vor, dass Aufträge zurückgefahren werden. Da ruft der Kunde an und sagt: „Von dem ursprünglich vereinbarten Auftragsvolumen brauchen wir nur noch 60 Prozent." Bei dieser freien Kündigung musste der Auftraggeber bislang die komplette Auftragssumme abzüglich der ersparten Aufwendungen für den gekündigten Auftragsanteil von 40 Prozent bezahlen. Das führte in der Vergangenheit meist zu jahrelangen Beweisverfahren und Prozessen. Hier hat der Gesetzgeber nun ebenfalls eine klare Regelung geschaffen. Seit diesem Jahr gilt: Der gekündigte Auftragsanteil wird grundsätzlich pauschal vergütet. Der Auftraggeber muss also eine Art Stornogebühr in Höhe von fünf Prozent auf den gekündigten Auftragsanteil bezahlen: Und das ohne konkrete Berechnung. Quälend lange Beweisverfahren und Prozesse werden also regelmäßig verhindert.  
Für mehr Sicherheit sorgt auch die Herabsetzung des so genannten Mangeleinbehalts. Bisher konnte der Auftraggeber, wenn er Mängel zu beanstanden hatte, mindestens das Dreifache, in der Praxis das Fünffache des tatsächlichen Mangelwertes einbehalten. Wurde beispielsweise ein Mangel in Höhe von 3.000 Euro festgestellt, konnte der Kunde ohne Weiteres sagen: "Ich behalte 15.000 Euro ein, weil mir zusätzliche Kosten entstehen, um einen neuen Handwerksbetrieb zu beauftragen, der dann vielleicht auch einen höheren Preis dafür verlangt." Seit diesem Jahr darf der Kunde nur noch das Doppelte der Mangelsumme einbehalten. 

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen vor Vertragsschluss und gut gemeinter gesetzlicher Bestimmungen: Müssen sich die Betriebe nicht in der Regel doch nach den Vorgaben ihrer Auftraggeber richten?  
Scheiding: Selbstverständlich muss man sich als Handwerker immer auch nach den Gesetzen des Marktes richten. Aber man sollte doch auch die gesetzlichen Möglichkeiten kennen und nutzen. Zum Glück gibt es auch viele zuverlässige und zahlungswillige Generalunternehmer und Auftraggeber. Aber allen unseriösen und zahlungsunwilligen Auftraggebern können wir jetzt die rote Karte zeigen. Hier ist das Forderungssicherungsgesetz ein gutes und wichtiges Signal. Und vor allem bietet es ein ganzes Bündel verschiedener Möglichkeiten, die man je nach Situation nutzen sollte. Dabei empfehlen wir unseren Betrieben allerdings auch immer wieder, sich von ihrer Handwerkskammer, Innung oder ihrem Rechtsanwalt beraten zu lassen.

Stand: April 2009 

Quelle: BMWi Existenzgründungsportal - existenzgruender.de