Geschäftsentwicklung bleibt fragilInflation frisst Umsatzwachstum fast vollständig auf
20. Mai 2022
Unterbrochene Lieferketten, die hohe Inflation und ein unsicheres Konsumklima haben im 1. Quartal 2022 die Erholung der Handwerkskonjunktur ausgebremst. „Die Geschäftsentwicklung bleibt fragil, da z.B. das Neu- und Gebrauchtwagensegment nur schwer in Gang kommt. Materialengpässe und die anziehenden Zinsen bilden ein toxisches Gemisch, das den Bau mittelfristig empfindlich treffen könnte“, betont Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern.
45 Prozent der befragten oberbayerischen Handwerksbetriebe bewerteten im Berichtszeitraum ihre aktuelle Lage als gut und weitere 39 Prozent als befriedigend. Gegenüber dem stark von Corona dominierten Vorjahresquartal entspricht dies einer Verbesserung um insgesamt 12 Punkte. Bis zum Vorkrisenniveau fehlen noch 5 Punkte. Die aktuelle Geschäftslage wurde in allen Gewerbegruppen mit Ausnahme des Bauhauptgewerbes besser eingeschätzt als vor einem Jahr. Auch die Auftragslage zeigte sich im 1. Quartal verhältnismäßig stabil. 24 Prozent der Betriebe im Kammerbezirk meldeten gestiegene und 50 Prozent konstante Auftragseingänge. Im Vorjahresvergleich ist dies eine Verbesserung um 15 Punkte. Auch hier fehlen noch 5 Punkte, um das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen. Besonders hohe Zuwächse verzeichneten das Kfz-Handwerk (+42 Punkte) und die verbrauchernahen Dienstleister (+30 Punkte). Die durchschnittliche Betriebsauslastung kletterte innerhalb eines Jahres von 74 auf 77 Prozent. Vor Pandemiebeginn betrug sie noch 79 Prozent. Mut macht ein Blick auf die Auftragsbestände: Trotz steigender Betriebsauslastung legte die Orderreichweite in Oberbayerns Handwerksbetrieben zum Ende des 1. Quartals kräftig von 8,5 auf 10,3 Wochen zu. Dieser Wert stellt einen Höchststand in einem 1. Quartal dar.
Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten sowie gestörte Lieferketten haben im Berichtszeitraum zu weiter steigenden Kosten auf Unternehmensseite geführt. Die Kammer rechnet mit einer Teuerungsrate für Handwerksleistungen von etwa 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. In der Konjunkturumfrage meldeten 88 Prozent der befragten Unternehmen steigende Einkaufspreise. Vor einem Jahr lag dieser Wert noch bei 60 Prozent. Für das 2. Quartal erwarten 91 Prozent einen weiteren Anstieg (Vorjahresquartal: 63 Prozent). Eine zumindest teilweise Weitergabe an die Kunden gelingt durch höhere Verkaufspreise rund 60 Prozent der befragten Unternehmen. Die Umsätze im oberbayerischen Handwerk haben sich im 1. Quartal äußerst dynamisch entwickelt. 20 Prozent der Betriebe meldeten gestiegene und 49 Prozent konstante Erlöse. Gegenüber dem Vorjahresquartal verbesserten sich die Einschätzungen um insgesamt 17 Punkte. Nach ersten Schätzungen wurden im oberbayerischen Handwerk zwischen Januar und März rund 9,5 Milliarden Euro umgesetzt. Im Vorjahresvergleich ist dies ein nominaler Anstieg von 10,5 Prozent; nach Abzug der erheblichen Preissteigerung verbleibt ein reales Plus von rund 1,5 Prozent.
Fehlende Fachkräfte
Die Beschäftigungsentwicklung im oberbayerischen Handwerk verlief im 1. Quartal 2022 unbefriedigend. Nach Beschäftigungsverlusten von etwa je einem Prozent in 2020 und 2021, gab es auch im Berichtszeitraum keine Trendwende. Der Mix aus hoher Inflation, einem unsicheren Konsumklima und fehlenden Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt macht es für die Handwerksbetriebe schwer, Personal zu finden. 9 Prozent der befragten Unternehmen konnten im 1. Quartal ihre Belegschaft aufstocken, während 21 Prozent die Zahl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reduzieren mussten. Das sind exakt die gleichen Werte wie im Vorjahreszeitraum. Nach Kammerschätzungen waren Ende März etwa 306.000 Personen im oberbayerischen Handwerk tätig. Binnen Jahresfrist ergibt das ein Minus von 0,4 Prozent. Stabiler entwickelte sich die Investitionstätigkeit. Im Berichtszeitraum lag die Neigung, in neue Maschinen und Gebäude zu investieren, bei 35 Prozent und damit einen Punkt über dem Vorjahresniveau. Zum Vorkrisenniveau fehlt noch 1 Punkt. In Summe wurden im 1. Quartal geschätzt 265 Millionen Euro in die oberbayerischen Handwerksunternehmen gesteckt. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Plus von 3,9 Prozent. Die Anzahl der Mitgliedsbetriebe lag Ende März bei knapp 79.400. Gegenüber dem Vorjahr sind das 0,7 Prozent weniger.
Für das 2. Quartal erwarten 16 Prozent der Befragten eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, während 64 Prozent mit einer etwa gleichbleibenden Situation rechneten. Im Vorjahr hatte der Anteil optimistischer Erwartungen noch 3 Punkte höher gelegen. Der Ukrainekrieg und die Preissteigerungen bei Energie und Materialien dürften hauptverantwortlich für die Zurückhaltung sein. Dementsprechend schwierig bleibt auch der Ausblick auf die kommenden Monate. Peteranderl: „Bei den verbrauchernahen Dienstleistern, dem Kfz-Handwerk und den Industriezulieferern ist mit einer Verbesserung der Geschäfte zu rechnen. Dem Lebensmittelhandwerk bereiten die hohen Energiekosten Sorgen. Und im Bauhauptgewerbe verzeichnen wir erstmals seit Jahren eine etwas pessimistischere Grundhaltung. Wir dürfen allerdings auch nicht vergessen, dass das Niveau, von dem aus dieser Rücksetzer erfolgt, kaum mehr zu toppen war.“ Bei der Prognose für das Gesamtjahr bleibt die Handwerkskammer vorsichtig optimistisch. Für das oberbayerische Handwerk ist 2022 ein nominales Umsatzwachstum von 7 Prozent drin. Allerdings dürfte dieses Plus von der Inflation nahezu vollständig aufgezehrt werden. Bei der Beschäftigung wird ein leichter Zuwachs von 0,5 Prozent erwartet, bei den Investitionen mit einem Plus von 5 Prozent gerechnet.
Umstrittene Handwerkerparkausweise
Zur mittlerweile beschlossenen Gebührenerhöhung für Handwerkerparkausweise in München von 265 auf 720 Euro pro Jahr berichtet der Kammerpräsident: „Das Thema treibt viele unserer Mitgliedsbetriebe immer noch um. Da wir als Interessenvertretung beauftragt sind, diese Sorgen aufzugreifen, haben wir ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, dass kurz vor der Vollendung steht. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Landeshauptstadt mit ihrer Erhöhung rechtlich gesehen übertrieben hat und dies vor Gericht auch so bestätigt werden würde, ist groß. Sobald das Gutachten fertig ist, werden wir das Gespräch mit der Stadt in dieser Sache suchen. Die Möglichkeit einer Klage halten wir uns dabei ausdrücklich offen.“
Beitrag von Alexander Tauscher zur Handwerkskonjunktur:
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