Pressemitteilung der Handwerkskammer für München und OberbayernHandwerkskonjunktur bleibt intakt
Traublinger: "Gefahren durch Eurokrise"
20. Juli 2012
"Trotz der Schuldenkrise im Euro-Raum und ihren Unwägbarkeiten für die deutsche Wirtschaft herrscht bei unseren Handwerkern weiterhin ungebrochener Konjunktur-Optimismus. In den letzten eineinhalb Jahren ist der Geschäftsklimaindex im Handwerk von 80 auf 89 Punkte geklettert. Eine solche Steigerung haben wir seit 20 Jahren nicht mehr erlebt", betonte Handwerkskammerpräsident Heinrich Traublinger, MdL a. D., bei der Präsentation der Zahlen für das 2. Quartal. Allerdings müsse man mit der Beurteilung der Daten vorsichtig sein, so Traublinger. "Zum einen hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass das Handwerk der allgemeinen Konjunkturentwicklung immer etwas hinterherhinkt, zum anderen kann heute niemand sagen, wie sich die Eurokrise auf unsere Volkswirtschaft auswirken und die Binnenkonjunktur beeinflussen wird, von der das Handwerk weitgehend abhängig ist."
Für die kommenden Monate sind die Handwerksbetriebe im Kammerbezirk zuversichtlich: 89 Prozent erwarten eine gute oder befriedigende Geschäftslage. Das sind zwei Prozentpunkte mehr als vor Jahresfrist. Der durchschnittliche Auslastungsgrad der oberbayerischen Handwerksbetriebe war mit 80 Prozent so hoch wie vor einem Jahr. Auch der Auftragsbestand bewegt sich weiterhin auf einem erfreulichen Niveau: Im 2. Quartal 2012 hatten die Betriebe im Durchschnitt Aufträge für 6,9 Wochen in Reserve – 0,2 Wochen mehr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 83 Prozent registrierten eine steigende oder gleichbleibende Auftragsentwicklung. Die Quote bewegte sich damit fast auf dem Niveau des Vergleichszeitraums.
85 Prozent der Handwerker in Oberbayern konnten im 2. Quartal 2012 gestiegene oder gleich bleibende Umsätze vermelden. Das entspricht exakt dem Vorjahreswert. Insgesamt setzten die von der amtlichen Statistik erfassten Handwerksunternehmen im ersten Halbjahr 2012 13,3 Milliarden Euro um. Das ist gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Zuwachs von nominal 3,5 Prozent. Preisbereinigt verbleibt ein Plus von einem Prozent. Obwohl die niedrigen Zinsen ein sehr günstiges Finanzierungsklima boten, gaben die Handwerker im 2. Quartal 2012 weniger Geld für Investitionen aus als noch vor einem Jahr. Insgesamt wurden 255 Millionen Euro investiert. Der Rückgang von zwei Prozent ist zum einen auf die außergewöhnlich hohe Investitionssumme aus dem Vorjahr zurückzuführen. Zum anderen könnte die Verunsicherung über den Fortgang der Schuldenkrise die Handwerker dazu veranlasst haben, größere Anschaffungen vorerst zurückzustellen. 34 Prozent der Betriebe haben im Berichtszeitraum in Ausrüstungsgüter und Bauten investiert. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einer Zunahme von einem Prozentpunkt. Dies ist Beleg dafür, dass zumindest die nötigen Ersatzinvestitionen weiterhin getätigt werden.
Zur Jahresmitte beschäftigten die oberbayerischen Handwerksunternehmen 268.000 Personen. Das entspricht im Vorjahresvergleich einem Zuwachs von einem Prozent. In vielen Handwerksberufen klafft inzwischen eine große Lücke zwischen gemeldeten Stellen und Arbeitslosen. Besonders in der Elektrobranche sowie in den Sanitär-, Heizungs- und Klima-Berufen werden dringend Fachkräfte gesucht. Vor diesem Hintergrund bemühten sich im 2. Quartal 2012 79 Prozent der Inhaber, ihre Belegschaft zu halten. 14 Prozent stellten Mitarbeiter ein, sieben Prozent bauten Personal ab. Die Zahl der Handwerksbetriebe in Oberbayern stieg zur Jahresmitte auf über 77.000, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Für das Gesamtjahr 2012 rechnet das oberbayerische Handwerk mit einem nominalen Umsatzzuwachs von mindestens drei Prozent, die Zahl der Beschäftigten dürfte sich um ca. 0,7 Prozent erhöhen.
Im Kammerbezirk wurden bis Ende Juni fast 3.400 neue Lehrverträge abgeschlossen, neun Prozent mehr als vor einem Jahr. Die große Herausforderung der Zukunft sei, die Fachkräfte nach ihrer Ausbildung auch im Handwerk zu halten, erklärte der Kammerpräsident. Einer Studie des Deutschen Handwerksinstituts zufolge verbleiben nicht einmal 40 Prozent der ausgebildeten Lehrlinge im Handwerk. "Frühzeitige Übernahmeangebote, ein gutes Arbeitsklima und Weiterbildungsmöglichkeiten sind die maßgeblichen Entscheidungsfaktoren für den Verbleib im Handwerk. Damit müssen wir besser punkten", forderte Traublinger.
Weiter kritisierte der Kammerpräsident die Neufassung des Landesentwicklungsprogramms (LEP) durch die Bayerische Staatsregierung: "Durch die Neuregelung ergibt sich eine Fast-Verdoppelung der zentralen Orte, die für Einzelhandelsgroßprojekte in Frage kommen, die Abschöpfungsquote für die Berechnung der zulässigen Verkaufsfläche von Einzelhandelsgroßprojekten wurde erhöht und die Regelungen für zusammengewachsene Gemeinden geändert. Mit diesen Neuregelungen würde ein Einfallstor geschaffen, mit dem unser ganzes Land mit Discountern und großflächigen Verkaufsmärkten überzogen werden kann. Klein- und Mittelbetriebe, insbesondere unsere Lebensmittelhandwerke, würden dadurch nachhaltig beschädigt." Zudem forderte Traublinger, den Bau der 2. S-Bahn-Stammstrecke in München trotz der momentanen Finanzierungsprobleme zu verwirklichen: "Sie ist aus alternativlos und Grundvoraussetzung für die weitere Entwicklung des gesamten Wirtschaftsraums."