Kündigungsschutz - Abfindung - Klagefrist - Befristung - Arbeitslosengeld Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt

Das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt enthält u.a. wichtige Änderungen des Kündigungsschutzrechts, des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, des Arbeitszeitgesetzes und bei der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld. Die Neuregelungen sind im wesentlichen mit Wirkung ab 01.01.2004 in Kraft getreten.

  1. Erhöhung des Schwellenwertes des Kündigungsschutzgesetzes von 5 auf 10 Arbeitnehmer für Neueinstellungen

    Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt für Arbeitnehmer, die ab 01.01.2004 eingestellt werden nur, wenn der Betrieb in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2004 begonnen hat, gilt nach wie vor der bisherige Schwellenwert von 5 Arbeitnehmern.

    Unverändert bleibt die gesetzliche Wartezeit. Danach besteht Kündigungsschutz nach dem KSchG erst, wenn das Arbeitsverhältnis in dem selben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat.

    Beispiel: Ein Betrieb, der derzeit 7 Arbeitnehmer (Vollzeitkräfte mit jeweils mehr als 6-monatiger Betriebszugehörigkeit) beschäftigt, stellt im Januar 2004 2 weitere Vollzeitkräfte ein. Ergebnis: Die ersten 7 Vollzeitkräfte haben weiterhin Kündigungsschutz, da für sie das alte Recht gilt (Schwellenwert: 5 Arbeitnehmer). Die beiden im Januar 2004 neu eingestellten Arbeitnehmer haben keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, da hier die Neuregelung greift (Schwellenwert: 10 Arbeitnehmer). Erst wenn der Betrieb regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, haben auch diese neu eingestellten Beschäftigten Kündigungsschutz (Voraussetzung für den einzelnen Arbeitnehmer ist immer, dass er die 6-monatige Wartezeit erfüllt hat). 

    Hinweis: Für die Zählweise ist zu beachten, dass Vollzeitkräfte mit dem Faktor 1,0, Teilzeitkräfte mit einer Wochenarbeitszeit bis zu 20 Stunden mit dem Faktor 0,5 sowie mit einer wöchentlichen Arbeitszeit bis zu 30 Stunden mit dem Faktor 0,75 berücksichtigt werden. Nicht mitzuzählen sind Auszubildende und der Arbeitgeber selbst sowie sog. Organvertreter (z.B. GmbH-Geschäftsführer).

    Der besondere Kündigungsschutz, z.B. für Schwangere und Schwerbehinderte, bleibt von der Neuregelung unberührt.

  2. Erleichterung der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen

    Bei betriebsbedingten Kündigungen, für die das Kündigungsschutzgesetz gilt (vgl. oben), wird die Sozialauswahl auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten der Arbeitnehmer und die Schwerbehinderung beschränkt. In die soziale Auswahl sind solche Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt ("Leistungsträger-Klausel"). Die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl ist auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt, wenn in einem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich bezeichnet sind ("Namenslisten").

  3. Abfindungsanspruch bei betriebsbedingten Kündigungen

    Völlig neu ist der nach § 1 a KSchG vorgesehene gesetzliche Abfindungsanspruch bei betriebsbedingten Kündigungen. Der Anspruch auf die gesetzliche Abfindung setzt voraus, dass der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben ausdrücklich darauf hinweist, dass die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe gestützt ist und ein gesetzlicher Abfindungsanspruch besteht, wenn der Arbeitnehmer die Klagefrist verstreichen lässt. Macht der Arbeitgeber diesen Hinweis und lässt der Arbeitnehmer die 3-wöchige Klagefrist verstreichen, so hat er Anspruch auf die im Gesetz festgelegte Abfindung von 0,5 Monatsgehältern je Beschäftigungsjahr.

    Wichtig: Das Gesetz schafft keine generelle Abfindungspflicht, weil der Arbeitgeber erst durch seinen freiwilligen "Hinweis" auf die Abfindungsoption die Wahlmöglichkeit des Arbeitnehmers eröffnet (sog. doppeltes Wahlrecht).

  4. Einheitliche Klagefrist von 3 Wochen (Ausnahme: Schriftform der Kündigung)

    Eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung gilt als von Anfang an rechtswirksam, wenn nicht der Arbeitnehmer innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung eine Klage beim Arbeitsgericht einreicht. Das heißt alle Gründe, die eine Kündigung rechtsunwirksam machen wie z.B. das Fehlen eines (ausreichenden) Kündigungsgrundes oder eine nicht ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung sind binnen dieser Frist gerichtlich geltend zu machen. Danach kann man sich bei Gericht nur noch auf die fehlende Schriftform der Kündigung erfolgreich berufen.

  5. Erleichterte Befristungen bei Unternehmensgründungen

    Künftig können in den ersten 4 Jahren nach einer Unternehmensgründung befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund bis zur Dauer von 4 Jahren geschlossen werden. Bis zu dieser Gesamtdauer von 4 Jahren darf ein befristeter Arbeitsvertrag auch mehrfach verlängert werden.
    Anmerkung: Im übrigen sind befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Grund nur in Ausnahmefällen möglich. Die gesetzlichen Voraussetzungen von Befristungen finden Sie unten über den Link zum Gesetzestext.

  6. Arbeitszeit

    Im Arbeitszeitgesetz werden mit Wirkung ab 01.01.2004 einige Änderungen vorgenommen. Anlass hierfür ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zum Bereitschaftsdienst vom 9. September 2003. Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft werden insgesamt als Arbeitszeit gewertet. Die Tarifvertragsparteien erhalten jedoch Gestaltungsspielräume. Sie können in einem abgestuften Modell auf tarifvertraglicher Grundlage längere Arbeitszeiten vereinbaren, was sich kurz zusammengefasst wie folgt darstellt:

    Die Arbeitszeit der Mitarbeiter darf auf tarifvertraglicher Grundlage über 10 Stunden je Werktag hinaus mit Zeitausgleich verlängert werden. Dabei können die Tarifvertragsparteien den Zeitraum für den Zeitausgleich auf bis zu 12 Monate ausdehnen. Erscheint den Tarifvertragsparteien eine interessengerechte Arbeitszeitgestaltung auf dieser Grundlage nicht möglich, können sie vereinbaren, die Arbeitszeit auch ohne Zeitausgleich über 8 Stunden je Werktag hinaus zu verlängern. Die Gesundheit der Arbeitnehmer darf nicht gefährdet werden. Der betroffene Mitarbeiter muss schriftlich einwilligen. Beschäftigten, die nicht einwilligen oder ihre Einwilligung - mit einer Frist von 6 Monaten - widerrufen, darf daraus kein Nachteil entstehen.

  7. Verkürzte Bezugsdauer für Arbeitslosengeld

    Die Bezugsdauer für Arbeitslosengeld ist auf grundsätzlich 12 Monate beschränkt. Bei einem Alter von 55 Jahren gilt ein Höchstanspruch von 15 bzw. 18 Monaten auf Arbeitslosengeld (bisheriger Höchstanspruch: 32 Monate).

    Wichtig: Nach der Übergangsregelung des § 434 l Abs. 1 SGB III gilt die Neuregelung erst für Personen, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 01.02.2006 entstanden ist. Diese weitreichende Übergangsregelung wurde im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz getroffen und sichert z.B. länger beschäftigten Arbeitnehmern, deren Anspruch auf Arbeitslosengeld bis zum 31.01.2006 entstanden ist, weiterhin die bisher gültigen längeren Bezugszeiten für Arbeitslosengeld (Höchstanspruch: 32 Monate).

  8. Erstattungspflicht des Arbeitgebers für Arbeitslosengeld

    Nunmehr tritt die Erstattungspflicht des Arbeitgebers, die bei der Entlassung langjährig beschäftigter älterer Arbeitnehmer gelten kann, bereits dann ein, wenn die Entlassung nach Vollendung des 55. Lebensjahres erfolgt (bisher 56. Lebensjahr). Außerdem beginnt der Erstattungszeitraum bereits ab dem 57. Lebensjahr des Arbeitnehmers (bisher: 58. Lebensjahr) und wird auf 32 Monate des Arbeitslosengeldbezuges (bisher: 24 Monate) verlängert.

    Wichtig: Die verschärfte Erstattungspflicht des Arbeitgebers gilt nur für diejenigen Fälle, in denen Arbeitnehmer noch die bisherige Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes in Anspruch nehmen können (gestaffelte Anspruchsdauer bis zum Höchstzeitraum von 32 Monaten). Soweit ein ehemaliger älterer Arbeitnehmer Arbeitslosengeld nach dem neuen Recht bezieht (Höchstanspruch 15 bzw. 18 Monate), vgl. oben, entfällt die Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 147 a SGB III, vgl. § 434 l Abs. 4 SGB III. Das heißt, die Erstattungspflicht entfällt gleichzeitig mit der Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes, also in der Regel ab 01.02.2006 (laut Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit).

    Hinweis: Die Erstattungspflicht gilt bis zu ihrem Außer-Kraft-Treten nur für Betriebe, die mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen. Außerdem kommen weitere Befreiungstatbestände in Betracht, so z.B. bei einer Beschäftigungsdauer von weniger als 10 Jahren, bei sozial gerechtfertigten Kündigungen und bei erheblichem Personalabbau (nicht abschließende Aufzählung), vgl. im einzelnen § 147 a SGB III.

Links zum Gesetzestext:

Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt 
Kündigungsschutzgesetz
Teilzeit- und Befristungsgesetz

Weiterführende Links:

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit:
Allgemeines zum Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt
Information zur geplanten Neuregelung bei Kündigung älterer Arbeitnehmer