Novellierung der Gewerbeordnung Arbeitsrechtliche Vorschriften neu gefasst

Einheitliche Regelung für alle Arbeitnehmer

Zum 01.01.2003 werden verschiedene Änderungen der Gewerbeordnung (GewO) in Kraft treten. Die Änderungen beruhen auf dem Dritten Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24.08.2002 (BGBl. I 2002, S. 3412). Insbesondere sollen die arbeitsrechtlichen Vorschriften des Gesetzes sprachlich und inhaltlich modernisiert werden. Im Übrigen enthält die Neuregelung auch einzelne inhaltliche Änderungen. Die arbeitsrechtlichen Vorschriften der GewO gelten künftig für alle Arbeitnehmer und sind nicht mehr auf Arbeitnehmer in Gewerbebetrieben beschränkt. Von der Änderung betroffen sind u. a. folgende Regelungen:

Vertragsfreiheit und Weisungsrecht, §§ 105 und 106 GewO

Wie bisher, wird das anerkannte arbeitsrechtliche Prinzip der Vertragsfreiheit festgeschrieben, das durch zwingende gesetzliche Vorschriften, z.B. im Entgeltfortzahlungs- und Kündigungsrecht, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung, begrenzt wird.

An die Stelle der bisherigen "Gehorsamspflicht" des Arbeitnehmers tritt nach dem neuen Recht das Weisungs- oder Direktionsrecht des Arbeitgebers, wonach dieser den Inhalt, den Ort und die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen kann, soweit die Arbeitsbedingungen nicht durch Arbeitsvertrag, Gesetz, Betriebsvereinbarung und anwendbare Tarifverträge festgelegt sind. Insoweit gibt die Neuregelung den Stand der bisherigen Rechtsprechung wieder.

Arbeitsentgelt, § 107 GewO

Das Arbeitsentgelt ist in Euro zu berechnen und auszubezahlen.

Nach der Neuregelung des § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO können Sachbezüge (Sachleistungen) als Arbeitsentgelt vereinbart werden, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entspricht.

Nach dem im § 107 Abs. 2 Satz 2 GewO festgelegten Kreditierungsverbot darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Waren auf Kredit überlassen. Nach § 107 Abs. 2 Satz 3 GewO darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nach Vereinbarung Waren in Anrechnung auf das Arbeitsentgelt überlassen, wenn die Anrechnung zu durchschnittlichen Selbstkosten erfolgt.

Grundlage für die Anrechnung ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass bestimmte Waren erworben werden sollen und der Kaufpreis auf die Vergütung angerechnet wird. Bei den "durchschnittlichen Selbstkosten" des Arbeitgebers handelt es sich wohl nicht um den Einkaufs- oder Herstellungswert, sondern um den Preis, zu dem der Arbeitgeber die Ware veräußern kann, ohne Gewinn oder Verlust zu machen. Im Einzelnen bleibt die Auslegung des Begriffs "Selbstkosten" unklar. Das in der Gesetzesbegründung genannte Beispiel des Werksverkaufs ist zumindest für den Fall zweifelhaft, dass der Arbeitnehmer lediglich einen Rabatt erhält.

In der Praxis können sich aufgrund dieser Höchstgrenze Probleme ergeben, da der Arbeitgeber im Streitfall, z.B. bei Vergütungsklagen des Arbeitnehmers, in der Regel darlegen muss, wie sich die durchschnittlichen Selbstkosten ermitteln. Endgültige Klarheit bezüglich der Begriffsdefinition wird hier erst die Rechtsprechung bringen.

Durch die Neuregelung des § 107 Abs. 2 GewO bleiben spezielle Vorschriften z.B. in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen unberührt. Dies gilt auch für § 10 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Zu beachten ist insbesondere § 10 Abs. 2 BBiG, wonach Sachbezüge nicht über 75 % der Bruttoausbildungsvergütung hinaus vereinbart und angerechnet werden dürfen.

Nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO darf der Wert der vereinbarten Sachbezüge oder die Anrechnung der überlassenen Waren auf das Arbeitsentgelt die Höhe des pfändbaren Teils des Arbeitsentgelts nicht übersteigen. Dem Arbeitnehmer muss also mindestens die Vergütung in Höhe des unpfändbaren Betrages verbleiben.

Lohnabrechnung, § 108 GewO

Nach § 108 GewO ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer bei Zahlung der Vergütung eine Lohnabrechnung zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts, die das Gesetz näher konkretisiert, enthalten. Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben.

Zeugnis, § 109 GewO

In der Vorschrift sind der Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses und die Grundsätze, nach denen ein solches Zeugnis zu erstellen ist, geregelt. Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, das mindestens Angaben zur Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten muss. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Die vom § 109 GewO geforderte "klare" und "verständliche" Formulierung des Zeugnisses gehörte schon bisher zu den von der Rechtsprechung entwickelten Grundpflichten des Arbeitgebers bei der Zeugniserstellung. Zu einer größeren Rechtssicherheit als bisher dürfte die Aufnahme dieser knapp formulierten Grundsätze der Zeugniserstellung ins Gesetz jedoch nicht führen. § 630 BGB, der ebenfalls die Pflicht zur Zeugniserteilung regelt, wird künftig durch einen Satz ergänzt, der klarstellt, dass für Zeugnisse von Arbeitnehmern ausschließlich § 109 GewO gilt. Auf Ausbildungsverhältnisse findet im Übrigen § 8 BBiG Anwendung.

Wettbewerbsverbot, § 110 GewO

Nach § 110 GewO können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Vereinbarung beschränken (Wettbewerbsverbot). Die §§ 74 bis 75 f des Handelsgesetzbuches, die unter anderem die Schriftform und Aushändigung einer Urkunde über die vereinbarten Bestimmungen sowie eine Entschädigungszahlung an den Gehilfen bzw. Arbeitnehmer fordern, sind entsprechend anzuwenden. Die Rechtsprechung hatte die bisher in der GewO enthaltene Vorschrift über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot für technische Angestellte bereits auf alle Arbeitnehmer angewendet. Die Neuregelung folgt der Rechtsprechung und schafft insoweit Klarheit.

Link zum Gesetzestext:
 
Dritten Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung und sonstiger gewerberechtlicher Vorschriften vom 24.08.2002 (BGBl. I 2002, S. 3412)



Stand: Januar 2003